Ein Steinberg-Stein erzählt ...               
Ich weiß nicht wie lange ich schon auf dem Steinberg liege, wahrscheinlich schon immer. Von früher weiß ich nur noch, dass die ganze Umgebung hier aus Wald und Steinen bestand – und dass alle Wesen die nicht fliegen konnten sich auf mindestens vier Beinen fortbewegt haben. Es war eine ruhige Zeit, eine stade Zeit, damals bei uns im Nordwald.
Richtig wach geworden bin ich erst, als ich von Süden her plötzlich Rauch und manchmal auch Feuer entdeckt habe – heute weiß ich, dass es nach der neumodischen eingeführten Zeitrechnung so um 1300 gewesen sein muss. Zweibeinige Wesen – Menschen nennen sie sich – sind in unseren Nordwald eingedrungen und haben sich eine Burg gebaut, die „Burg Wildenstein“. Das war für mich der Beginn einer Zeit, die mir immer hektischer und immer unruhiger erschien. Einer Zeit, die ich manchmal nicht mehr verstehen kann.
Bald habe ich diese Hektik auch mit ansehen können und müssen:
Auf einem Berg vor meinen Augen, fast so hoch wie unserer, haben diese Menschen den Wald abgeholzt und die Erde mit komischen Hakenhölzern aufgerissen. Dabei hat ein Mensch dieses Unikum gezogen und ein anderer geschoben. Manche haben auch so gescheckte Vierbeiner zum Ziehen angespannt.
Seltsame Häuser haben sie dort gebaut, eins davon wie mit einem nach oben zeigenden Finger, fast wie ein Baum ohne Äste. Und da muss was wichtiges drinnen gewesen sein, weil sich dort immer wieder alle Menschen versammelt haben. Und immer hat es vorher so komisch gebimmelt – ich habe diesen Ton vorher nie gehört. „Hohe Au“, so wurde mir berichtet, haben sie diesen Ort am gerodeten Berg genannt.
Im Jahre 1512, nach dieser neuen Zeitrechnung, habe ich schon wieder Feuer und Rauch im Süden und Osten gesehen. Wie man mir später erzählt hat, wurde der Wald wieder einmal vom Menschen vernichtet. Diese Manschen haben das Holz verbrannt und damit Brüder von mir gemartert, gefoltert und geschmolzen, so dass sie vor Schmerz ihre Farbe verloren haben und durchsichtig wurden. Glas nannten Sie dann diese Steine die sie in der Hitze zu allen möglichen Formen verarbeiteten.
Irgendwann in dieser Zeit hat ein gewisser Hans Beck fast direkt vor mir ein Anwesen und ein Hammerwerk gebaut. Das dauernde Getöse hat mich anfangs schon etwas gestört, aber irgendwann habe ich mich daran gewöhnt.
Dann ging es Schlag auf Schlag weiter: Ein Schmelzer, es war der Kürschner Hans, ist aus dem entfernten Grainet 1599 vor der Pest in unsere Nähe geflohen, hat dem Hans Beck sein Gut abgekauft und dann direkt vor meinem Berg eine Glashütte errichtet.
Da aber diese Menschen die Angewohnheit haben, allem einen Namen zu geben, nannten sie diesen Ort „Schönbrunn“. Weil aber scheinbar so eine Glashütte nicht nur Holz zum Beheizen und Quarz-Steine zum Schmelzen brauchte, sondern auch viele andere Dinge, entstand auch eine Schmiede, ein Pocherwerk um den Quarz zu zerstampfen, ein Sägewerk um das Bauholz zu sägen, eine Mühle und viele andere Handwerke siedelten sich an. Wenn ich nur an das Gedröhne des Pocherwerkes am Tyroler Bach denke, kriege ich heute noch das kalte Grausen. Wie viele meiner Brüder wurden dort wohl zu Staub gestampft?
Es wurde eine Unmenge an Pferdefuhrwerken zum Transport gebraucht. Viele Leute haben also dort gewerkelt und sich in der Umgebung Häuser gebaut, die „Schönbrunner Häuser“. Und vor fast jedem Haus wurde einer meiner Brüder ausgehöhlt und aufgestellt, um das Brunnenwasser aufzufangen. „Grand“ tauften sie diese Wasserstelle. Auch unser Berg hatte plötzlich einen zusätzlichen Namen: „Kanzel“ nannten sie einen der schönen Aussichtspunkte hier oben.
Aber dann kam es noch schlimmer! Weil der Wald rundum immer weniger wurde sind diese Menschen einfach mit ihrer Glashütte weiter nördlich gezogen. Sie bauten dieses Teufelswerk nun direkt vor meiner Nase auf. Den Ort nannten sie „Glashütte“.
Gottseidank ging aber irgendwann das Geschäft mit dem Glashandel nicht mehr so gut, sonst wäre sicher der ganze Wald abgerodet worden.
Der Tobias Peterhansl, ich glaub’ er ist 1713 in Schönbrunn geboren, hat sich dann etwas schöneres ausgedacht als nur Holz zu verbrennen: Er hat dieses Glas so schön bemalt, dass es sogar mir gefallen hat.
Anfang des 18. Jahrhunderts wurde in der Nähe von Schönbrunn, in einer 1721 gegründeten Ortschaft „Raimundsreut“, dieses Kunsthandwerk vom Peterhansl, seiner Familie und seinen Nachkommen betrieben. Länger als 100 Jahre haben dadurch einige Raimundsreuter Familien Arbeit und Brot gefunden. Aber dann wurde es still um die Hinterglasmalerei. Im Jahr 1876 wurde dann auch endgültig die Glashütte stillgelegt.

1920 - 1930 haben die Schönbrunner ihren, bis heute nicht mehr vergessenen, starken Sinn für Gemeinsamkeit entdeckt. Sie bauten sich zusammen auch ein Haus mit erhobenem Zeigefinger. Dieses Haus nannten sie „Kirche“ und gaben ihr den Namen: „Kirche zum Hl. Heinrich und St. Gunther“.
 

Die „Väter“ der Pfarrkirche:
stehend von links: Josef Kronawitter, Jakob Fürst, Fritz Fürst, Poxleitner (Vater vom Pfarrer Friedrich Poxleitner), Jakob Mandl, Jakob Petri, weitere drei Personen sind leider nicht mehr be-kannt, Zimmermeister Ludwig Niemetz, Fanny Piser, Ludwig Haller, Anton Habereder.
sitzend von links: Paul Fürst, der Steinhauer Ludwig Gassler mit Sohn Max und Georg Pertler.

Freilich war das nicht ihre erste Versammlungsstätte. Eine stattliche Anzahl von „Kapellen“ - so nannten sie diese kleineren Häuschen – haben sie seit Beginn ihres Wirkens in ihrer neuen Heimat erbaut, ebenso wie die noch kleineren Gedenkstätten, die Wegekreuze und Marterl.

Und diese versuche ich Ihnen nun hier zu erläutern und näher zu bringen.