"Der Menschenkörper, diese lebendige Uhr vom besten
Gang und Schlag, liefe und schlüge vortrefflich, wenn nicht der
Menschentor Schmutz und Sand und anderen Unrat zwischen die Räder
werfen und so den geordneten Lauf stören, vielleicht zerstören
würde." (Sebastian Kneipp)
Sebastian
Kneipp wurde am 17. Mai 1821 in Stephansried bei Ottobeuren geboren.
Sein Vater war Weber und Kneipp wuchs daher in sehr ärmlichen und
kargen Verhältnissen auf. Bereits im Alter von elf Jahren musste der
Junge tatkräftig mit zum Familienunterhalt beitragen, Tücher weben
und das Vieh der Bauern hüten. Doch bereits damals hatte junge
Kneipp den Wunsch, Priester zu werden.
1844 trat er ins
Gymnasium in Dillingen an der Donau ein, übrigens gegen den
erklärten Willen seines Vaters, der den Sohn, unter anderem aus
finanziellen Gründen, nicht als künftigen Pfarrer sah. Dank eines
entfernten Verwandten, des Kaplans Mathias Merkle, der im
nahegelegenen Grönenbach lebte, wurde Sebastian Kneipp schließlich
das Studium ermöglicht.
 Ottobeuren |
Nach dem
Studium in Dillingen und München wurde Sebastian Kneipp am 6.
August 1852 in Augsburg zum Priester geweiht. Seine Primiz
feierte der inzwischen 31jährige am 24. August 1852 in der
Basilika des heimatlichen Ottobeuren.
Die in seiner
Jugend erfahrene Armut und Not hatten Sebastian nicht hart und
verbittert gemacht, wohl aber aufgeschlossen für das Leid der
Mitmenschen. Nun wollte er helfen, wo immer ihm Not und Leid
begegneten. Zuerst rührte ihn die seelische Not. Sie zu
beheben, war er Priester geworden.
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Am 4.
Oktober 1852 bekam er als dritter Kaplan in Biberach den ersten
seelsorglichen Auftrag. Als solcher betreute er vor allem die
Wallfahrer und die Filialgemeinden Biberachs. Ein Ruf nach München
zum Leiter und Erzieher eines Hauses für verwahrloste Jugendliche
ließ Kneipp sein Interesse und Engagement für gefährdete Jungen und
Mädchen entwickeln. Doch sein Bischof gab ihn nicht frei.
Am 20.
Januar 1853 wurde er Kaplan in Boos. Wegen Erkrankung des Pfarrers
trug er die ganze seelsorgliche Last und Verantwortung, doppelt
schwer, da gerade die Cholera am Orte wütete. Am 24. November 1854
berief ihn der Bischof zum Stadtkaplan nach St. Georg in
Augsburg.
Besondere Sorge schenkte er der religiös unwissenden Jugend.
Als Versetzungsgerüchte umgingen, bat eine Jungendeputation den
Generalvikar, ihnen doch ihren Lehrer nicht zu nehmen. Die Bitte
wurde abschlägig beschieden. Kneipp wurde angewiesen, schon am
nächsten Tage ohne Abschiedspredigt Augsburg zu verlassen und am
2. Mai 1855 seine neue Stelle als Beichtvater am
Dominikanerinnenkloster in Wörishofen anzutreten.
Damit
führte ihn die göttliche Vorsehung an den Ort seines eigentlichen
seelsorglichen Wirkens und priesterlichen Lebens. 42 Jahre lang
begleitete er als Beichtvater, geistlicher Berater, Konferenzredner
die Schwestern auf ihrem Wege zu Gott. Alle Sonn- und Feiertage
hielt er Vorträge und gab alljährliche Exerzitien, wie auch den
Waisenkindern und Mädchen, die im Kloster erzogen wurden.
Als
besonnener Priester wandte er sich gegen Übertriebenheit und
Schwärmerei, dafür propagierte er maßvolles Entsagen,
Arbeitsamkeit und Genügsamkeit. In Ermangelung eines
Diözesankatechismus schrieb er einen eigenen und verfasste auch
Gebete für die Schwestern und die Waisenkinder.
Mit dem
2. Oktober 1859 erwuchs ihm im nahen Türkheim in der von den
Dominikanerinnen übernommenen Mädchenschule ein neuer Wirkkreis.
Zwei- bis dreimal in der Woche rollte sein Bauernwagen dorthin,
meist beladen mit Lebensmitteln und Dingen, die das Mutterhaus
besaß, aber die Tochtergründung in Türkheim noch entbehrte. Unter
Sebastian Kneipps Leitung entfalteten sich Kloster- und
Mädcheninstitut zu hoher geistiger und religiöser Blüte.
Obwohl nicht dazu verpflichtet, half er auch dem Wörishofener
Pfarrer gern aus. Es war jener Michael Ziegler, der seinen Vater in
seiner Ablehnung seines Theologiestudiums bestärkt hatte. Als
Ziegler am 31. Oktober 1880 starb, wurde Kneipp am 7. April 1881
sein Nachfolger. So war er nun Spiritual der Schwestern und auch der
geistliche Vater der Wörishofener Pfarrfamilie.
Pfarrkirche und Klosterkirche wurden unter persönlichen
Opfern weiter restauriert und ein Kreuzweg neu angelegt. Der
Pfarrgottesdienst wurde möglichst feierlich und, wenn eben möglich,
von ihm selbst gehalten. Die Predigt, oft zweimal, war ihm ein
großes Anliegen. Selten überließ er sie einem Konfrater. Auf seinen
späteren Reisen, selbst beim Besuche Leos XIII., drang er immer
darauf, am Samstag-Sonntag in seiner Pfarre zu
sein.
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Mochten ihn Kranke und Notleidende noch so sehr in
Anspruch nehmen, für seine Pfarrgemeinde war er immer zu
haben, und mit seinen Konfratres verband ihn echt
brüderliche Gemeinschaft.
Neben der geistlichen
Tätigkeit und der täglichen bäuerlichen Arbeit sieht Sebastian
Kneipp einen wesentlichen Auftrag darin, Kranken zu helfen und
Gesunde vor Krankheiten zu schützen. Bereits während der
Studienzeit hatte Kneipp viele Begegnungen mit der Heilkraft
des Wassers gehabt.
Was Kneipp zur Weltberühmtheit brachte und
Wörishofen zum weltbekannten Heilbad machte und seither
Tausende von Hilfesuchenden nach dort zog, war seine
Erneuerung und systematische Umgestaltung der
Wasserheilmethode. Persönlich erlittene Krankheit, die
Hilflosigkeit der damaligen Arzneikunde, und ein
angeborenes ärztliches Gespür zwangen ihn zum ärztlichen
Helfen.
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Er
beschloss, die gepriesene Heilkraft des Wassers an sich selbst zu
erproben. In Dillingen nahm er im November 1849 in der Donau das
erste kalte Vollbad. Es bekam ihm gut. Weitere Bäder folgten. Das
Blutspucken hörte auf und das Lungenleiden schwand. Im Georgianum zu
München begann er bei dunkler Nacht im Gartenbassin mit Güssen.
Die Not eines lungenkranken Kommilitonen trieb ihn dazu. Auch dieser
gesundete. Ein weiterer Mitstudent, der spätere Pater Pfluger, wegen
Lungenleidens bereits aufgegeben, wurde von Kneipp ebenfalls durch
Wasseranwendungen geheilt.
Diese
glücklichen Fälle bestärkten sein Vertrauen in die Heilkraft des
Wassers. Im Anfang der Wörishofener Zeit vertiefte Kneipp das
Studium der Wasserheilkunde. Die praktischen Versuche gingen weiter.
Ehemalige Patienten wurden weiter behandelt, neue kamen hinzu. Im
Badehäuschen inmitten des Klosterhofes wurden die Anwendungen
durchgeführt.
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Sein Ruf
als Wasserarzt wurde immer größer. Das früher so unbekannte
Wörishofen sah immer mehr Hilfesuchende. Wegen der Heilerfolge
bewog man Kneipp, seine Gedanken, Erfahrungen und Methoden
zu publizieren. Nach anfänglicher Zurückhaltung erklärte
er sich schließlich dazu bereit. So entstand sein
Hauptwerk "Meine Wasserkur". Es wurde ein großer Bucherfolg.
Zwischen 1886 bis 1898 erschienen immerhin 63 Auflagen.
Kneipp
hatte mit der Ausgabe seiner "Wasserkur" die Kranken und
Hilfesuchenden eigentlich von Wörishofen abhalten wollen, aber
jetzt setzte erst recht der Zustrom ein. Man konnte bald
von einer echten Kneipp-Bewegung sprechen. In Sibirien, in
Südafrika, in San Francisco, in China, in Indien saßen
seine Freunde und begeisterten Anhänger.
Aus allen
Weltteilen kamen Leidende und Hilfesuchende nach
Wörishofen. |
Ein
besonderes ärztliches Fachwissen und Können hat Kneipp niemals für
sich beansprucht. Er war Autodidakt. Als Tausende nach Wörishofen
kamen, nahm er, um sich vor Fehlurteilen und nicht zuletzt vor
Gesetzesparagraphen zu schützen, Fachärzte hinzu. Schwere Fälle
wurden dann zuerst von einem Arzt begutachtet, leichtere wurden von
ihm allein behandelt. Bei schweren Fällen wies er klug und
vorsichtig auf den ernsten Zustand hin, nahm aber trotzdem nicht
alle Hoffnung. Vor allem suchte er die Eigenkräfte des Kranken zu
wecken und ihn mit Zuversicht auf die Kraft der menschlichen Natur,
der Kräuter und des Wassers zu erfüllen. Oft sah er an einem
einzigen Tage an die 300 Krankheitsfälle.
In der ersten
Zeit behandelte er die Kranken selbst. Für weibliche Patienten war
seine Nichte Therese zuständig. Güsse erteilte er mit der Gießkanne.
Den Blitzguss behielt er sich auch später noch selbst vor. Um 9
Uhr unterbrach er die Sprechstunde und ging in die Gießräume.
Wortlos führte er den Wasserstrahl unter feinster Beobachtung
der gesunden und kranken Stellen.
In der
ersten Zeit behandelte er die Kranken selbst. Für weibliche
Patienten war seine Nichte Therese zuständig. Güsse erteilte er mit
der Gießkanne. Den Blitzguss behielt er sich auch später noch selbst
vor. Um 9 Uhr unterbrach er die Sprechstunde und ging in die
Gießräume. Wortlos führte er den Wasserstrahl unter feinster
Beobachtung der gesunden und kranken Stellen.
Die
Honorarfrage spielte bei ihm keine Rolle. Er nahm nichts für sich,
nur für seine karitativen Zwecke, und hier nur von solchen, die
es konnten.
Die
wichtige Ergänzung seiner Sprechstunde waren die Vorträge, die er in
den letzten Jahren täglich nachmittags, meist im Freien und vor
vielen Hunderten von Kurgästen über die Wasserkur, gesunde
Ernährung, natürliche Lebensweise und Kleidung, über die
Kindererziehung u. a. Themen hielt. Für die Kurgäste war jeder
Vortrag ein Erlebnis, für Kneipp eine Entspannung und
Erholung.
Pfarrer
Kneipp erforschte aber auch die Wirkung der Pflanzen und das
Zusammenspiel von Nahrung und Bewegung beim Menschen. Immer mehr
Menschen kommen nach Wörishofen. Die Zahl der Kurgäste wächst ebenso
schnell wie der Ruhm des Wohltäters. Im April 1881 wird Sebastian
Kneipp Pfarrer von Wörishofen. Es beginnen hektische Jahre für ihn.
1892 entschließt sich Kneipp auf großen Europareisen seine
Wasserheilmethode zu popularisieren. Sein Reisebegleiter ist der
Pfarrer Alois Stückle von Mindelau, den er durch seine
Wasserbehandlung von schwerem Lungenleiden heilte. Unterwegs geht es
Kneipp zu langsam. Sehenswürdigkeiten und Kunstschätze kümmern ihn
nicht. "Wo sind die Kranken?" ist stets seine erste Frage.
An die
30 große Reisen hat Kneipp gemacht, durch Deutschland, in die
Schweiz, nach Österreich-Ungarn und Frankreich. Der Höhepunkt dieser
Reisen war die Fahrt nach Rom und die Wasserbehandlung Leos
XIII.
Mit
großem Engagement wandte sich zuerst seinen Amtsbrüdern zu. Sie
hatten als Konfratres zu seinem ärztlichen Können besonderes
Vertrauen und kamen in immer größerer Zahl. Die Dominikanerinnen
nahmen die Kranken auf und pflegten, so viel und so gut sie konnten,
aber ihre Räumlichkeiten waren beschränkt. So schuf er den
hilfesuchenden Geistlichen im Kurhaus Sebastianeum eine Bleibe. Zu
dem Bau (1891/94) gab er die Summe von 178.000 Mark hinzu, ein
kleines Vermögen zur damaligen Zeit.
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Im April
1892 entstand das Kinderasyl, das Kneipp 284.000 Mark kostete.
Das Haus blieb seine Lieblingsstiftung. Hier konnte er der
"Vater Kneipp" sein, wie man ihn auch liebevoll nannte. Hier
fand er seine Freude und seine Erholung. Täglich besuchte er
die Kinder, spielte mit ihnen oder erzählte ihnen Geschichten.
Waren sie krank, so besuchte er sie regelmäßig und behandelte
sie. Noch als vielbeschäftigter, überlaufener Arzt fand er
Zeit, den kindlichen Fest- oder Theaterspielen beizuwohnen.
Das Eigentumsrecht am Kurhaus und Kinderasyl übertrug
er 1893 den Barmherzigen Brüdern, die Pflege und
Hausverwaltung im Kinderasyl den Mallersdorfer
Franziskanerinnen. Weil aber die Schwestern hierbei zu kurz
kamen, wollte er auch für sie eine Heimstätte schaffen und
dabei seinem langjährigen ärztlichen Helfer, Dr. Baumgarten,
eine Bleibe und ein eigenes Tätigkeitsfeld nach seinem Tode
sichern. So kam es 1895 zum Bau des Kneippianums.
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Als es
im Rohbau fertig stand, wurde ihm die Erlaubnis für eine
Lupusheilanstalt, an die er zunächst dachte, abgeschlagen, jedoch
die Genehmigung für ein Krankenhaus erteilt. Für diesen Bau spendete
Kneipp 112.032 Mark, den Rest von 75.413 Mark übernahmen die
Mallersdorfer Schwestern; die 1897 noch einen Flügel hinzufügten. So
hatten diese treuen Helferinnen Kneipps nun ein Wirkfeld, die
Kranken eine Heilstätte und sein jahrelanger ärztlicher Helfer ein
Haus, in dem er tätig sein konnte.
Der
erziehungsbedürftigen Jugend widmete Kneipp den Rest seines
Vermögens. Die Dominikanerinnen unterhielten eine
Haushaltungsschule. Viele Mädchen mussten leider abgewiesen werden.
So wurde ein stattlicher Neubau errichtet und diesem noch die
Elementarschule für die Wörishofener Mädchen angegliedert. Zu diesem
Bau gab Kneipp die Summe von 60.000 Mark. Auch die Kleinsten von
Wörishofen vergaß er nicht.
Einige
Tage vor seinem Tode übergab er den Franziskanerinnen im Kneippianum
5.000 Mark als Grundstock für eine Kinderbewahranstalt. Weitere
Schenkungen und Stiftungen können hier nicht aufgeführt werden, es
sind noch sehr viele. Als Kneipp sich am 17. Juni 1897 im Alter von
76 Jahren stirbt, besitzt er nichts mehr. Er hinterlässt eine
einzigartige Naturheilmethode und wird durch seine Taten und Ideen
zur Legende.
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